Grundlegendes
Konzept, Grundhaltung
Der radikale Konstruktivismus und die Systemtheorie zeigen den Menschen als „nicht-triviale Maschine“ und das menschliche Bewusstseinssystem als autopoietisches, operativ abgeschlossenes System. Eine direkte Übertragung von Information zwischen Bewusstseinssystemen ist nicht möglich. Um dieser systemisch-konstruktivistischen Herausforderung gerecht zu werden, braucht es didaktische Modelle und konkrete Handlungsstrategien für den Unterricht.
I. Der Schüler entscheidet, was gelehrt wurde.
Man kann keinem Lernenden auf direktem Wege etwas beibringen. Es gibt – so gern man das auch hätte – keine Schnittstelle zwischen Gehirnen. Es ist wie bei der Nahrung: Wenn Sie einen Mensch mit Spaghetti füttern, wächst in seinem Körper keine einzige Spaghetti. Der Input entspricht nicht dem Output.
Erst durch die interne Verdauung wächst etwas — und zwar individuell. Das gilt auch für geistige „Bildung“. Alles was im Kopf ist, ist eine eigenständige Konstruktion des Lernenden. Der Unterrichtende macht „nur“ ein Angebot aus dem seine Schüler konstruieren. Und zwar jeder individuell, abhängig vom persönlichen Hintergrund, Wünschen und Begabungen. Egal, wie sehr sich der Lehrer auch um Klarheit bemüht, der Schüler entscheidet, was gelehrt wurde!
Indirekte Didaktik
Doch wie soll nun gelehrt werden, damit gelernt werden kann? Wenn eine direkt-kausale Vermittlung unmöglich ist, so bleibt nur der Weg über das Indirekte, über die Umgebung. Eine indirekte Didaktik richtet daher den Fokus auf die Gestaltung von Lernumgebungen. Diese geben Anregung für seine Wissenskonstruktion.
Aus systemischer Sicht beutet Lernen nichts anders, als die Anpassung an die Umgebung. Es gibt viele bedeutsame Umgebungen für den Lernenden. In der Grafik oben sind die dargestellt, die in der Schule verändert werden können: Wenn Sie anderes Material in die Hand bekommen, denken Sie anders. Wenn Sie in einem anderen Raum sind, denken Sie anders. Wenn Sie einen anderen Lehrer haben, denken Sie anders. Wenn Sie mit einem anderen Mitschüler zusammenarbeiten, denken Sie anders.
II. Untericht ist Kommunikation
Welche Rolle fällt dem Lehrer zu? Er wird zum Spielleiter, zum Gestalter von Lernumgebungen. Da Unterricht ein kommunikatives Phänomen ist liegt es nahe, sich an Kommunikationsmodellen zu orientieren. So findet jede Lernumgebung in einem Wissensgebiet statt (Sachebene). Es gibt einen klaren Rahmen und klare Spielregeln (Appellebene), die Schüler nehmen eine bestimmte Rolle ein (Beziehungsebene) und besitzen wie in einem Spiel Handlungsfreiheit, wo der Lehrer beobachten kann, wo seine Schüler gerade stehen (Selbstkundgabe).
Die Kunst eine passende Lernumgebung zu gestalten – passend für Schüler, Lehrer und die unterrichtliche Situation – ist die zentrale Aufgabe des Lehrers.
III. Begreifen, um zu Begreifen
Geist und Körper sind untrennbar miteinander verbunden. Das Haptische ist die Umgebung des Geistigen und umgekehrt. Die über 1000 dargestellten Lernumgebungen in „Unterricht als Abenteuer“ basieren darauf, dass das haptisch getan wird, was geistig geschieht und umgekehrt. Die geistige als auch die materielle Konstruktion entwickeln sich gemeinsam in einer Koevolution. Entfernt man aus dieser z. B. den materiellen Anteil, so wird der Lernvorgang empfindlich gestört. Wege, gedankliche wie reale, entstehen beim Gehen.
Die Kunst eine passende Lernumgebung zu gestalten – passend für Schüler, Lehrer und die unterrichtliche Situation – ist die zentrale Aufgabe des Lehrers.
IV. Ästhetik und Bildung
Begreifen geschieht durch Begreifen. Und man begreift das, man fasst das gerne an, was ästhetisch ansprechend ist. Sie zahlen im Restaurant am wenigsten für den Inhalt auf Ihrem Teller. Sie zahlen den Löwenanteil für die Form, für die Ästhetik der Darreichung. Kochen ist eine Kunst.
So erzielt derselbe Inhalt, je nach Darreichungsform, eine andere Wirkung, was folgende Bilder demonstrieren.
Derselbe Inhalt.
Dasselbe Kind.
Eine völlig andere Wirkung.
„Didaktik“ ist die Kunst der Gestaltung von Lernumgebungen.
Aber wie soll ich bei einem vollen Deputat aus jeder Stunde ein Kunstwerk machen? – Die gute Nachricht: Das müssen und sollen Sie gar nicht! Es geht nicht darum, dass Sie als Lehrer den Unterricht herstellen. Unterricht ist Kommunikation und kein Mach- oder Machtwerk des Lehrers. Nehmen Sie den Schülern den Unterricht nicht weg! Es ist nicht so, dass der Lehrer unterrichtet und die Schüler dasitzen. Wenn der Unterricht nicht selbst zum Gegenstand des Schülers wird, wird es schnell öde für ihn. Egal wie gut Sie kochen können: Es schmeckt besser, wenn man mitgekocht hat. Es geht um den Prozess, um das gemeinsame Miteinander und nicht in erster Linie um das Ergebnis. Das ist sehr wichtig für den Verdauungsprozess. Und für das Lernen.